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Das Konzept hält nicht was es verspricht

Thur+: die Artenvielfalt bleibt auf der Strecke

Gewässerraumfestlegung für die Thur

Gewässer benötigen Platz, damit sie Lebensraumvielfalt für eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt spenden können. Ohne ausreichende Bettbreite gibt es keine Kiesbänke und sanft plätschernde Seitenarme, oder bewachsene Inseln im Flussbett. Ohne ausreichende breite Ufer gibt es keinen Auenwald, der als Lebensraum und Ausbreitungskorridor dient. Typische Auwaldbewohner sind z.B. der Pirol, Rothirsch, Hermelin oder die Gelbbauchunke.

Die Anleitung für die Ermittlung des Gewässerraumes finden sich in den Gewässerschutzvorschriften des Bundes. Für Gewässer mit einer natürlichen Bettbreite bis zu 15 m gibt es in der Gewässerschutzverordnung simple Formeln für die Berechnung. Für grössere Gewässer wie die Thur muss der Gewässerraum unter Verwendung historischer Kartenwerke gutachterlich ermittelt werden. Wenn technisch möglich, soll der Gewässerraum so gross werden, dass laut Vollzughilfe mindestens 80% ökologische Zufriedenheit erreicht werden, auf dem Grossteil der Strecke. So die Vorgaben des Bundes. Bei Auen nationaler Bedeutung hingegen muss eine noch höhere Zielerfüllung verlangt werden.

Schematische Darstellung des Gewässerraums (Quelle: Kanton Thurgau)

Die Praxis zeigt hingegen, dass oft nicht nach den Bundesvorgaben geplant wird. Auch das Konzept Thur+ bildet hier keine Ausnahme. Die natürliche Sohlbreite, die alles entscheidende Grundlage für den Gewässerraum, wurde viel zu klein veranschlagt. Gemäss kantonalem Konzept liegen die ermittelten natürlichen Bettbreiten bei 80 bis 100 Metern. Korrekt wären jedoch natürliche Bettbreiten bis 221 Metern. Welche Bettbreiten erforderlich sind, können wir an der Aufweitung Schaffäuli an der Thur ablesen. Dort haben sich erst ab 170 m Bettbreite die erwünschten Lebensraumtypen wie Kiesbänke, Seitenarme, Stillgewässer und Gehölzinseln eingestellt. Würde das Konzept Thur+ so umgesetzt, hätte das zwei fatale Konsequenzen:

  1. Das Flussbett wäre zu eng. Die erwünschte Lebensraumvielfalt bliebe aus, und damit auch geeigneter Lebensraum für stillwasserliebende Arten wie die Rotfeder, die Trüsche oder auch der Fadenmolch.
  2. Der gesamte Gewässerraum würde zu klein, womit auch die Ufer als Lebensraum und Ausbreitungskorridor zu schmal würden.

Insgesamt bliebe somit aufgrund fehlender Fläche und Lebensraumvielfalt leider die tierische und pflanzliche Artenvielfalt auf der Strecke. Die Bundesanforderungen werden verpasst, womit wichtige Projekte nicht bewilligt werden könnten.

Aufweitung Schaffäuli: die Breite der Thur beträgt hier aktuell bis zu 200m. Erst ab ca. 170 m haben sich die erwünschten vielfältigen Lebensräume eingestellt.

Verhängnisvolles Spiel mit Planungslinien

Man würde meinen, mindestens der Raum zwischen den Aussendämmen würde der Thur gehören. Dies, damit ausreichend Platz für ein dynamisches Bett mit spannenden Auenstrukturen entstehen kann. Der Blick auf die Pläne des Projektes Thur+ zeigt jedoch, dass auch zwischen den Dämmen der Thur rasch Grenzen gesetzt werden. So sollen beim Erreichen der sogenannten Reaktionslinien (oder auch Beobachtungslinien genannt) umgehend bauliche Schutzmassnahmen eingeleitet werden, um die Seitenerosion zu stoppen und die eigendynamische Entwicklung der Thur zu bremsen. Bei den dammnahen Begrenzungslinien gilt für die Erosion der Thur Nulltoleranz. Diese Reaktionslinien schränken den zur Verfügung stehenden Raum für eine eigendynamische Entwicklung der Thur ohne ersichtlichen Grund ein. Die Reaktionslinien werden immer 30 m vom Dammfuss entfernt platziert. Damit fallen im Flussquerschnitt im Querschnitt rund 60 m prinzipiell für die eigendynamische Entwicklung weg.

Infolge zu eng gesetzter Reaktionslinien können lediglich etwa sechs der 12 Auenkilometer ausreichend aufgewertet werden.

Durch die weit vorgelagerten Reaktionslinien wir der Raum der Thur unnötig stark eingeschränkt. Die gewünschten Revitalisierungen werden so weitestgehend ausbleiben.

Mit den Reaktionslinien bezweckt man vor allem den Schutz von landwirtschaftlichen Nutzflächen sowie von verlegbaren Infrastrukturen wie z.B. Grundwasserbrunnen. Reaktionslinien sind somit vor allem ein politisches Instrument, welches leider die Erreichung der Gewässerschutzziele verhindert.

Auch die Binnenkanäle kommen zu kurz

Die Binnenkanäle entlang der Thur benötigen wie die Thur selbst einen eigenen Gewässerraum. Sie sind an vielen Orten biologisch sehr wertvoll. Fische nutzen die kühlen Gewässer gerne als Rückzugsorte und auch der Biber hat sie für sich entdeckt. Für die Binnenkanäle könnte der erforderliche Gewässerraum eigentlich ganz einfach berechnet werden. Der Kanton TG verlässt hier aber die Vorgaben des Bundes und setzt auf ein eigenes, abenteuerliches Vorgehen. Im Technischen Bericht ist zu lesen, dass für die Binnenkanäle kein separater Gewässerraum ausgeschieden werde, da ein separater Gewässerraum zu einer massgeblichen Minderbeanspruchung landwirtschaftlicher Flächen im Thurtal führen würde. Stattdessen werde die Gewässerraumgrenze des Binnankanals als Minimalabstand von 6 m Böschungsoberkante angenommen.

Juristen und Naturschützer reiben sich ob diesem unrechtmässigen Vorgehen die Augen. Denn, gemäss Gewässerschutzverordnung wären, je nach Abschnitt, an den Binnenkanälen Gewässerräume von 11 bis zu 50 m erforderlich. Diese Ausscheidung ist also klar bundesgesetzwidrig und muss dringend angepasst werden!

Die Binnenkanäle der Thur sind an vielen Orten ökologisch sehr wertvoll.
Sie verdienen deshalb auch einen angemessenen Gewässerraum.
Die Binnenkanäle sind aufgrund ihrer kühlen Temperaturen sehr beliebt bei Fischen aller Art. Hier im Bild ein Schwarm junger Alet.