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10-Punkte-Plan

2. Raum

Die Thur durchfliesst von ihrer Quelle am Säntis bis zur Mündung in den Rhein die Kantone St.Gallen, Thurgau, und Zürich. Die Zuflüsse Sitter, Urnäsch, Glatt und Necker entspringen in beiden Appenzell.

Noch heute hat die Thur eine weitgehend natürliche Hydrologie. Sie war aber einst ein breiter und landschaftsprägender Wildbach. Zwischen Schwarzenbach und Bischofszell floss sie um 1825 auf über 300 m Breite, in bis zu sechs Seitenarme aufgeästelt. Im Flussbett gab es bewaldete Inseln, angrenzend an die Ufer wuchs Auwald. Von Bischofszell bis Frauenfeld wand sich die Thur in pendelndem Verlauf gar in einem bis zu 600 m breiten Flussbett Richtung Nordwesten.

Die Thur bei Niederbüren um 1920. (Kanton St. Gallen)
Derart vielfältige und sich immer wieder wandelnde Flusslandschaften sind heute in der ganzen Schweiz kaum mehr anzutreffen. (Kanton St. Gallen)
Revitalisierungen konnten sie erst punktuell neu schaffen. (Kanton St. Gallen)

Überschwemmungen und Dämme

Durch den Fluss kam es jedoch auch zu Überschwemmungen im Siedlungs- und Landwirtschaftsgebiet. Das, was eine natürliche Flussaue zum Überleben braucht, machte den Menschen das Leben schwer. Ab 1880 wurde deshalb die Thur ab Schwarzenbach bis zur Rheinmündung praktisch durchgehend kanalisiert, mit einem hart befestigten Mittelgerinne und Aussendämmen – dazwischen die heute landwirtschaftlich bewirtschafteten Vorländer. Zuflüsse wurden ausserhalb der Dämme von der Thur getrennt und in Binnenkanäle abgeleitet. Die neu entstandene Thur war durchschnittlich nur noch 45 Meter breit und völlig strukturlos. Nach der Korrektion musste dieselbe Wassermenge im engeren Flussquerschnitt abgeleitet werden. Die Wasserspiegellage und das Gefahrenpotential für die Anrainer wurden somit erhöht. Zudem entstanden im Kanal höhere Fliessgeschwindigkeiten, was in Kombination mit Kiesentnahmen an Zuflüssen dazu führte, dass sich die Thur mehr als gewollt eintiefte und die Sicherheit von Flussverbauungen gefährdete. Die Kanalisierung und rasche Wasserabführung boten somit nur eine trügerische Sicherheit. Weitere Hochwasser mit Schadenfolgen von 1965 bis 1978 blieben nicht aus.

Für den Thurgau wurde ab 1979 ein Thurrichtprojekt (TRP79) ausgearbeitet. Darin wird postuliert, dass das Thurvorland der Thur gehört. Dieser Kernsatz bringt den Paradigmenwechsel im Wasserbau auf den Punkt, wonach ein breiter Fluss den robustesten Hochwasserschutz bietet. Am 29. März 1982 wurde das TRP79 vom Parlament angenommen. Es ist aber auch heute noch nicht an allen Stellen umgesetzt worden.

Das Thurvorland gehört der Thur.

Eine natürliche Flussaue ist dynamisch und erhält ein strukturreiches und vielfältiges Lebensraumosaik aus rasch und langsam strömendem Wasser, Kies- und Sandbänken, Gehölzinseln und Stillwasserbereichen. Solche Auenstrukturen sind die Grundlage für eine hohe Artenvielfalt. Sie entstehen dort, wo genügend
Raum zur Verfügung steht. Im Wasserbaugesetz und im Gewässerschutzgesetz ist definiert, dass der natürliche Verlauf von Gewässern erhalten oder wiederherstellt werden soll. Zudem ist der Gewässerraum so festzulegen, dass dieser einer artenreichen Tier- und Pflanzenwelt als Lebensraum dient.

Grundlage für die Festlegung des Gewässerraumes ist gemäss Gewässerschutzvorschriften die natürliche Sohlbreite, welche für die Thur dank historischer Karten ziemlich genau ermittelt werden kann. Damit ist nicht gemeint, dass der Gewässerraum der Thur künftig wieder historische Dimensionen annehmen muss. Die Gewässerfunktionen sollen jedoch mindestens zu 80% erfüllt sein. Der Raum zwischen den heutigen Hochwasserschutzdämmen reicht dafür nicht überall aus. Anpassungen sind nötig.

Natürliche Sohlbreiten und entsprechende Gewässerraumbreiten für die verschiedenen Thurabschnitte