10-Punkte-Plan
Oberstes Ziel der IG Lebendige Thur ist das Erhalten und Wiederherstellen flusstypischer Prozesse und Strukturen im Rahmen einer nachhaltigen Thuraufwertung.
Die IG versteht sich als fachkundiger Partner für Anwohnerinnen und Anwohner sowie Behörden aller Stufen bei der Planung von Revitalisierungsprojekten. Erachtet sie bei Eingriffen an der Thur die Gewässerschutzinteressen als ungenügend berücksichtigt, koordiniert die IG nötigenfalls den Einsatz von Rechtsmitteln unter den legitimierten Mitgliedern.
Vorwort
Fluss und Mensch, statt Mensch gegen Fluss
Die Thur durchquert als grosser Wildbach fünf Kantone, ohne dass ein See die abfliessenden Wassermassen dämpft. Zum Schutz der Bevölkerung ist daher ein angemessener Hochwasserschutz nötig. Doch heute wissen wir, dass die Verbauung und Kanalisierung der Thur vor über hundert Jahren zu weit gegangen sind. Der korrigierte Fluss hat fast auf seinem ganzen Lauf zu wenig Raum, um selbst neue, ökologisch dringend nötige Strukturen schaffen zu können und um ein wirklich grosses Hochwasser möglichst schadlos ableiten zu können. Aus dem Miteinander von Menschen und Fluss ist ein Kampf Mensch gegen Fluss geworden.
Wir können nur verlieren, wenn wir diesen «Wettstreit» weitertreiben. Immer höher müssen die Dämme werden und wehe, wenn doch einmal einer irgendwo versagt – dann sind die Schäden immens. Die neuen gesetzlichen Grundlagen im eidgenössischen Gewässerschutzgesetz basieren daher auf der Erkenntnis, dass nur ein Gewässer, dem ausreichend Raum zugestanden wird, seine vielfältigen Funktionen erfüllen kann. Dazu zählen der Hochwasserschutz genauso wie die Naherholung, die Fischerei, der Wert des Flusses für die Biodiversität und Landschaftsvernetzung oder für die Grundwasserneubildung und damit die Trinkwasser-gewinnung.
Die in der Interessengemeinschaft für eine Lebendige Thur zusammengeschlossenen Umwelt- und Fachorganisationen wollen das Rad nicht ins 18. Jahrhundert zurückdrehen. Die Thur braucht Leitplanken, da sind sich alle einig. An vielen Orten sind Infrastrukturen sehr nahe an den Fluss gerückt. Dort muss es reichen, wenn ihm zwischen den bestehenden Dämmen etwas mehr Freiraum zugestanden wird. An anderen Orten – zum Beispiel bei Uzwil, zwischen Sulgen und Weinfelden oder auf der Höhe Frauenfeld – benötigt eine lebendige und gleichzeitig sichere Thur hingegen mehr Platz.
Der gesetzliche Auftrag ist seit 2011 klar: Vergleichbar mit neuen Brandschutzvorrichtungen und Flucht-treppen bei einem in die Jahre gekommenen Theatersaal, müssen nun auch die Thurverbauungen auf den neuesten Stand gebracht werden. Mehr Raum gehört dazu, sonst wird das (zu) enge Korsett zur Hypothek – für Mensch und Natur. Ja, einige Grundeigentümer werden der Thur etwas Land zurückgeben müssen. Doch vom neuen Miteinander profitieren alle: Die Bewohnerinnen und Bewohner des Thurtals – auch die Landwirte, weil sie mehr Sicherheit, leistungsfähige Ökosysteme und attraktive Naherholungsgebiete erhalten und die Natur, weil mehr Raum mehr Dynamik zulässt und so die Biodiversität stärkt. Eine Win-Win-Situation.
Claudia Friedl, Nationalrätin (St. Gallen)